MAKING OF

BESCHREIBUNG EINER INSel

ein Film von Rudolf Thomé u. Cynthia Beatt

1978 realisiert  von Moana–Film

2015 Rückblick.und.Berichtigung 

kosmogen / Otto Kayser


 

Wie ich zu diesem Film kam

Astrologie mein vorrangiges Thema

Astrologisches Nachspiel (oder der Tod im Horoskop)

Dreharbeiten

Der große Krach

Versäumte Chancen

Privater Besuch auf den Fidschis

Zusammenfassung

Nachruf

 

Wie ich zu diesem Film kam

Im Frühjahr 1978 schlug man mir vor bei einem Film auf der Südseeinsel Ureparapara mitzuspielen. Diese Insel – ein erloschener Vulkan - liegt auf den Neuen Hebriden/ heute Inselstaat Vanuatu (siehe Globus „1“). Der männliche Darsteller der Laientruppe war in letzter Minute abgesprungen und man suchte nun einen Ersatz. Da ich damals in Berlin als freischaffender Architekt tätig war, konnte ich mir das halbe Jahr, welches für die  Dreharbeiten notwendig war, relativ leicht freimachen. Die Filme des Regisseur Rudolf Thome wurden zwar ziemlich kontrovers beurteilt aber es würde ja noch eine in Jamaika geborene Engländerin - Cynthia Beatt - als Co-Regisseurin mitarbeiten, Und was ich vor allem Interessant fand, sollten die Darsteller - wir waren alles Laien (3 Frauen und ich) - mit  ihren Ideen das Regiebuch vorort entwickeln, was ganz im Sinne des damaligen antiautoritären Zeitgeistes war. Es war ein ethnologischer Spielfilm beabsichtigt mit dem Titel "Beschreibung einer Insel". Unter diesem Thema sollte man zusammentragen was jeder eben so entdeckte, für was er sich interessierte, und was er beschreibenswert fand.

 

Neben einer zeitgemäßen ethnologischen Forschung

interessierten mich vor allem auch astrologische Fragen

Damals hatte ich mich schon seit 3 Jahren mit astrologischer Forschung beschäftigt und ein Aufenthalt auf einer Insel südlich des Äquators war für mich darum interessant, weil mir auffiel, daß die Bedeutung der Tierkreiszeichen vom Klima und pflanzlichem Wachstum auf der nördlichen Hemisphäre abgeleitet worden sind.  Das müßte folgerichtig auf der südlichen Seite zu anderen, entgegengesetzten Beschreibungen führen. Wenn z.B. die Sonne bei uns Winter im Steinbock steht, ist ja auf der südlichen Erdseite gerade Sommer. Wenn die Sonne bei uns im Widder steht ist Frühlingsbeginn, im Süden beginnt dagegen der Herbst. Der Jahreslauf steht astrologisch also im Norden und Süden unter einer entgegengesetzten Dynamik. Im Norden ist es eine aktive bis aggressive Dynamik im Süden eine ausgleichende. Da die Tierkreiszeichen aber im Norden wie im Süden gleich gedeutet werden, wäre es nicht verwunderlich, wenn auch in der Astrologie eine Art  Eurozentrismus herrscht. Oder sollte sich z.B. die Tatsache, daß das Wasser auf der Südhemisphäre im Gegensatz zum Norden links herum durch den Ausguß strudelt, auch auf die Dynamik im Tierkreis auswirken?

 

Durch das enge Zusammenleben mit den Einwohnern in einer überschaubaren Inselwelt erhoffte ich mir darüber Aufschluß zu bekommen. Leider stellte sich ein solches Unterfangen sehr schnell als viel schwieriger heraus als vermutet. Obwohl die Eingeborenen alle ihren Geburtstag  bzw. ihr (nördliches) Tierkreiszeichen kannten, lernt man ja Menschen innerhalb eines halben Jahres nur sehr oberflächlich kennen - noch dazu aus einer  fremden Kultur. Und was die wenigsten Menschen wissen ist, daß ein Mensch astrologisch ja nicht alleine durch die Sonne im Tierkreis bestimmt wird (allgemein übliches Tierkreiszeichen), sondern es gibt ja da noch den Mond und 8 weitere Planeten welche sich meist alle in unterschiedlichen Tierkreiszeichen befinden. Ganz zu schweigen vom Aszendenten, der von der Geburtsminute abhängt. Nun hatten die meisten Eingeborenen zwar eine Uhr, aber mehr als Statussymbol, die meisten konnten die Uhr nämlich gar nicht lesen, diese Art von Zeitbestimmung interessierte sie bei ihrem naturorientierten Leben auch gar nicht. Absurd also zu glauben, daß sie eine Geburtszeit interessieren würde..Die Mütter wußten kurz nach der Geburt gerade mal, daß es z.B. irgendwann in der späten Nacht war, Erwachsen geworden wußten die Menschen auch das nicht mehr. Astrologisch ist aber eine genaue Geburtszeit besonders prognostisch ausschlaggebend. All diese Schwierigkeiten bei einem solchen Forschungsprojekt wurden mir aber erst während des Aufenthaltes so richtig klar.

 

Kollektiv ist mir jedenfalls eine Besonderheit aufgefallen die für eine gegensätzliche Orientierung des Tierkreises sprechen würde. Auf der Insel wurde nämlich Fußball so gespielt wird, bis beide Parteien den gleichen Torstand hatten (Waage = Ausgleich/ Gleichgewicht). Bei uns dagegen gibt es eine Siegerpartei, eine die besser, schneller etc. ist  (Widder = Aggressor/ Sieger). Auch sonst scheint das Weibliche im Süden bedeutender zu sein, was sich z.B. in der verwandtschaftlichen Abstammung äußert, wo vor allem die mütterliche Linie beachtet wird - Väter dagegen unbedeutend sind, man sogar mehrere Väter hat. Der französische Ethnologe Claude Lévi-Strauss stellte fest, daß für die Abstammung vor allem Allianzen entscheidend sind, welche die Familien miteinander eingehen, indem die Frauen die Familien tauschen. Es könnte also durchaus sein, daß es astrologisch eine "männlich-nördliche" und "weiblich-südliche" Hemisphäre gibt.

 

Ohne astrologisch nachweisbar genügend stichhältige Fakten gesammelt zu haben, betreibe ich heute trotzdem Astrologie nur mehr für nördliche Geburten. Daß dieses Thema in der astrologischen Forschung auf Interesse stoßen würde, hat sich allerdings als Irrtum herausgestellt, da die meisten Astrologen sehr konservativ-dogmatisch orientiert sind. Obendrein ist die heute verbreitete Astrologie ja prinzipiell ein eurozentriertes Wissen (stammt vorwiegend aus Europa)  - was für die heute globalisierte Welt einen ziemlichen Anachronismus darstellt. Wie wenig Astrologen an Forschung interessiert sind konnte ich als Mitglied zweier deutscher Astrologieverbände immer wieder feststellen. Dem geradezu lächerlich absurdem Verhalten des DAV (Deutscher Astrologen Verband) habe ich eine eigene Webseite gewidmet. Der dort kritisierten Unwissenschaftlichkeit ist auch diese Webseite hier zu verdanke, indem ich die Hintergründe einer angeblichen Fehlprognose offenlege (siehe astrologisches Nachspiel).

 

Ethnologisch interessant im Zusammenhang mit der Astrologie sind die Arbeiten von Hertha von Dechend, nach der die Mythen der Südsee-Bewohner nur verstanden werden können, wenn deren spezieller astronomischer Sinn entschlüsselt wird. Nach ihren Untersuchungen war es die ursprüngliche Funktion des Mythos vor allem astronomische Zusammenhänge und kalendarische Besonderheiten darzustellen, bevor  daraus die für uns heute verständlichen Ausdrucksweisen von Philosophie und Mathematik entstanden. In der Südsee wird das vor allem an den Mythen um das Schwein deutlich.

 

So bestand z.B. bereits vor dem antiken griechischen Astronomen Hipparchos ein mythisch ausgedrücktes Wissen um die Präzession  der Äquinoktien. Die Präzession ist die Kreiselbewegung der Erdachse, die dafür verantwortlich ist, daß sich im Laufe der Jahrtausende Sternbilder und Tierkreiszeichen gegeneinander verschieben. Das wird besonders deutlich am Sternbild welches zu den Tages- und Nachtgleichen (Äquinoktium) am Horizont aufgeht. Es hat sich heute gegenüber der Bronzezeit und Antike um ein bis zwei Sternbilder im Uhrzeigersinn verschoben. Daraus wird astrologisch abgeleitet, daß wir uns heute am Beginn des Wassermannzeitalters befäden, während die Antike noch im Zeichen des Widderzeitalters stand. 

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Astrologisches Nachspiel

oder über den Tod im Horoskop

Unsere Gruppe wußte sehr genau, daß ich mich sehr intensiv mit Astrologie beschäftige. Die Co-Regisseurin Frau Beatt ließ sich daher von mir ihr Horoskop erklären, was vom ersten Kameramann Sebastian Schröder am Strand gefilmt wurde. So kam eines Tages auch unsere Ethnologiestudentin Gabrielle Baur mit der Bitte zu mir doch ein "Horoskop"  für das gerade geborene Kind des Lehrers zu erstellen. Den Lehrer würde das sehr interessieren und es könnte doch auch für meine Forschungen interessant sein.

 

Nun wollte ich das gerade in diesem Fall aus mehreren Gründen nicht machen.

Erstens hatte ich kein Bedürfnis in Konflikt und Konkurrenz mit den magischen Traditionen und Machtverhältnissen auf dieser Insel  hier zu geraten. Da gab es im Dorf  den Häuptling, den Medizinmann, den Priester und die „Hebammen“ und jede Menge Intrigen und Eifersüchteleien von denen man wenig wußte. 

Zweitens stellte ich die europäische astrologische Technik auf der südlichen Hemisphäre sowieso in Frage.

Drittens war die Geburtszeit des Kindes nicht bekannt  - irgendwann in der späten Nacht soll es gewesen sein.

Viertens entstand  bei einer vermuteten Geburtszeit um 4h morgens ein schwierig zu deutendes Geburtsbild mit einer schwerwiegenden Transformation am Lebensanfang (stark gespannte Mars- und Plutokonstellationen im Geburtsbild). Wenn man den Tod in einem Horoskop auch nicht eindeutig erkennen kann, so war er beim Zusammenwirken dieser Konstellationen nicht auszuschließen, geschweige denn sollte man ihn einem Fragenden voraussagen. Sollte man etwa Eltern den eventuellen Tod Ihres Kindes vorhersagen ??? In unserer westlichen medizinisch fortgeschrittenen Welt handelt es sich dabei oft um einen operative Eingriffe oder Unfälle bei der Geburt. Eine entsprechende Deutung sollte man bestenfalls medizinisch beratend und psychologisch feinfühlend umschreiben. Was aber ein ziemlich sinnloses Unterfangen in dieser ganz anderen Kultur gewesen wäre. Tatsächlich ist das Baby nach einer Woche in der Nacht erstickt. Besonders früher geschah so etwas in den ersten Tagen nach der Geburt nicht so selten. Heute werden die Mütter besser medizinisch überwacht und aufgeklärt..

Fünftens wollte ich zusammenfassend aus diesen psychologisch schwierigen Umständen heraus das Horoskop wenn, höchstens dem Vater persönlich erklären, der ja gut Englisch sprach. Gabrielle meinte aber er wäre viel zu schüchtern persönlich zu kommen. Aus all diesen Gründen lehnte ich also eine Interpretation erstmals kategorisch ab. Nachdem Gabrielle aber immer wieder insistierte ob ich nicht doch noch „irgendwas nettes sagen könnte, lies ich mich breitschlagen und sagte:

 

"Wenn ziemliche Schwierigkeiten am Lebensanfang überwunden würden, könnte ein guter Erfolg möglich werden - wahrscheinlich durch Weiterbildung im Ausland"

Was bei einem Lehrer als Vater nicht so unwahrscheinlich war, und wo sowieso alle jungen Leute davon träumten von der Insel weg zu kommen.

 

Was passierte nun: Meine Kolleginnen wußten daraufhin nichts Besseres zu tun, als sich als Schicksalsnornen an der Wiege des Kindes zu profilieren und sagten ihm eine ganz wunderbare Zukunft voraus. Dabei soll noch einmal daran erinnert werden, daß ich selbst NIE mit den Eltern gesprochen habe. Ich kannte sie gerade mal vom Sehen her. Noch häufiger sollte es mir später bei meiner Beratungstätigkeit passieren, daß sich die Leute meine gemachten Aussagen passend zurechtbogen, besonders durch Weglassen von Schwierigkeiten und Warnungen, durch Verkürzungen und Umdeutungen - ob das nun im positiven  oder negativen Sinn geschah. Zu manchem was ich angeblich gesagt haben sollte, hatte ich mich sogar nie geäußert.

 

Das lehrte mich im Laufe meiner astrologischen Praxis nur mehr schriftliche Gutachten abzugeben.

Und was fällt nun Rudolf Thomé 37 Jahre später in seinem Moana-Blog dazu ein:

 

"Otto Kayser ist im Leben Architekt aber noch lieber macht er Horoskope. Am 5. Juli 1978 ist die Tochter von Mister Selwyn, der weil er Lehrer ist am besten Englisch spricht, geboren. Er macht für das Baby ein Horoskop und sagt Mr. Selwyn, daß es eine ganz wunderbare Zukunft hat. Sieben Tage später stirbt das Baby."

 

Thomé fiel tatsächlich nichts Besseres ein als meine ganze Forschungsarbeit zu ignorieren. Sie kommt schon im Film in keiner einzigen Szene vor und wird nun in seinem Blog auf diesen Vorfall reduziert – und obendrein falsch dargestellt. Eine Publikation die in ihrer Plattheit der Bildzeitung würdig wäre und nicht einem Film mit ethnologischem Anspruch. Es spricht für Rudolfs Desinteresse an Tatsachen und psychologischen Hintergründen. Nie hat er sich mit mir über diesen Vorfall ausgetauscht. Typisch auch für ihn, daß sein Moana-Blog ein reiner Monolog ist der keinerlei Möglichkeit für öffentliche Kommunikation bietet. Ob dieser Kommentar zu meiner Arbeit aus Böswilligkeit, verspäteter Revange für meine Kritik oder gar durch Alzheimer entstanden ist, kann ich nicht beurteilen. Möglich auch, daß ihm diese Interpretation zum metaphorischen Bild des eigenen Lebens wurde: Zur wunderbaren Zukunft eines berühmten Regisseurs dessen zahlreiche Filme schon zu Lebzeiten keiner kennt.

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Die Dreharbeiten

Rudolf Thomé und Cynthia Beatt zeigten sich zusehends vom Thema überfordert. Rudolf Thomé kam über die Idee nicht hinaus in uns kleine Hobby-Humboldts zu sehen, denen man auf der Suche nach einer endemischen Orchideenart wie zufällig bei der Arbeit zusieht. Fündig geworden wird diese Orchidee dann auf seinen Namen getauft. Dafür hatte er schon vertraglich vorgesorgt(, denn alles von uns entdeckte oder erarbeitete gehörte ja laut Vertrag seiner Moana-Filmgesellschaft. Nebenbei hoffte er auf eine Liebesstory zwischen uns oder den Eingeborenen, denn Beziehungsthemen sind ja bis heute seine Spezialität geblieben. Obendrein ist er der Meinung es reicht sich als Regisseur einfach neben das ablaufende Leben zustellen und es abzufilmen. Eine Idee zu realisieren gehört nicht vorrangig zu seiner Vorstellung vom Filmemachen und psychologische Hintergründe sind ihm nach eigener Aussage eher ein Greuel. Organisatorisch beschäftigte er sich vorwiegend damit uns zu überwachen, daß wir aus dem Aufenthalt keine privaten Südseeferien machten.

 

Cynthia Beatt, die sogenannte Co-Regisseurin, hatte null Regieerfahrung wie sich sehr schnell herausstellte. Häufig schlug bei ihren Ideen der englische Kolonialgeist durch. Da trat sie z.B. im weißen Tropenanzug mit wippenden Bambusstöckchen auf, und vor ihr schleppten zwei eingeborene Mädels auf einer langen  Bambusstange Bananenbündel. Ansonsten versuchte sie sich darin irgendwelche in Filmen aufgeschnappte Szenen zu kopieren oder kindische Slapsticks zu erfinden wie z.B.: Wir überqueren auf einem Baumstamm balancierend ein Flüßchen, und  ich sollte dabei ins Wasser fallen. Nachdem ich mich weigerte bei solchen schwachsinnigen Szenen mitzuwirken meinte sie, wir wären ja doch von Moana-Film bezahlt und hätten gefälligst ihre Anordnungen zu befolgen.

 

Mit ihren simplen Einfällen hätte sie heute wahrscheinlich gut im  "Dschungelcamp" Karriere machen können. Wie ja unser tatsächliches Zusammenleben auf der Insel ein perfektes Vorbild dafür abgegeben hätte. Das wäre wesentlich interessanter zu verfilmen gewesen, als die von beiden Regisseuren zusammengestoppelte Ethno-Förschelei, deren Wert etwa einem „neuhebridischem Tirolerabend“ entspricht.

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Der große Krach und die Wende in der Mitte

Es wurde immer klarer, daß es bei diesem Film kein Konzept gab, Rudolf schreibt ja selbst, beim Drehen seiner Filme hätte er sich nie groß vorbereitet, sondern alles dem Moment überlassen wo die Kamera läuft, Von unserer anfangs in Aussicht gestellten Regiebeteiligung war sehr bald kaum mehr was übrig geblieben. Im Gegenteil riss nun Frau Beatt die Regie an sich, holte sich noch ihren Bruder zur Verstärkung auf die Insel und spielte sich in den Vordergrund. Ihre-naive Selbstgefälligkeit wurde immer mehr eine Zumutung, so daß mir bald der Kragen platzte und ich sie erbarmungslos bloßstellte. Danach änderte sich tatsächlich etwas – aber nur für meine kreative Mitarbeit. Nicht umsonst sagt ein Sprichwort „Wer die Wahrheit sagt braucht ein schnelles Pferd“.

 

Anfangs hatte ich in Sebastian Schröder einen Verbündeten, der nicht nur Kameramann war, sonder auch Regietalent für diesen Film besaß. Er realisierte mehrere interessante Szenen mit mir. Nach meiner Kritik an der „Leitung“ änderte sich das schlagartig. Man stellte fest, daß alle Aufnahmen Schröders unscharf und daher unbrauchbar wären und schickte ihn wegen Unfähigkeit nach drei Monaten umgehend nach Europa zurück. Ob es wirklich Unfähigkeit war oder ob dahinter andere Motive steckten, konnte man nicht nachprüfen. Cynthia wollte mich verdächtigerweise gleich mitschicken – aber es wäre wohl zu auffallend gewesen, obendrein gönnte man mir die restlichen 3 Monate Freiheit bis zum Rückflug nicht,

 

Für mich war das der Moment mich von der Filmarbeit soweit wie möglich zu distanzieren - was auch ganz im Sinn der „Leitung“ war. Ich widmete mich nun die restliche Zeit - neben kleinen Wanderungen auf der Insel und dem Fotografieren - fast nur mehr meiner astrologischen Arbeit. In weiser Voraussicht hatte ich mir viele Bücher mitgenommen und studierte fast das gesamte Werk von Thomas Ring, der zu den bedeutendsten Astrologen der Moderne zählt. Was an banalen Szenen von mir im Film noch verblieb, wurde bei jeder Neufassung noch mehr heraus- oder  zurechtgeschnitten. Was ich als Filmlaie daraus lernte war, daß neben dem Wohlwollen des Regisseurs erst der "richtige" Schnitt den Film ausmacht. Meine Fotos wurden übrigens alle als für „Moana-Film“ geleistete Arbeit einbehalten.

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Versäumte Chancen

Letztlich lag die Idee von einer Insel im damaligen Zeitgeist, und das exotische Ambiente war vom Erfolg der südamerikanischen Dschungelbilder in den Filmen Werner Herzogs inspiriert. Nun wäre die Filmidee ja eigentlich nicht so schlecht gewesen, aber eine Idee oder ein Titel alleine genügen eben nicht. Meiner Meinung nach hatten beide Regisseure ihre Fähigkeiten weit überschätzt dem Titel auch einen interessanten Inhalt zu geben. Dagegen betraf mein ethnologisches Interesse die zwiespältig zu beurteilende Begegnung zweier Kulturen. Mich interessierte was wir durch unseren Aufenthalt auf der Insel kulturell veränderten. Das entsprach in etwa den Vorstellung des 2009 verstorbenen Ethnologen Lévi-Strauss, der davon ausging, daß man keine Ursprünglichkeit mehr fände, da jeder Kontakt mit den Eingeborenen auch ihre Kultur ändert. Was alles im Film überhaupt nicht thematisiert wurde.

 

Da wurde z.B. von der Regierung der neuen Hebriden sofort eine Wasserleitung im Dorf installiert um uns Fortschrittlichkeit zu beweisen. Der Erfolg war, daß die etwas außerhalb gelegene Wasserstelle - eine kleine idyllische Quelle mit Teich  - von den Frauen  schlagartig nicht mehr zum Wasserholen, Waschen, gemeinsamen Baden und Schwatzen (Informationen austauschen) benutzt wurde. Dafür verschmutzten nun besonders unsere Frauen mit  ihren Shampoons beim täglichen Haare waschen das kleine Flüßchen. 100 m weiter unten zwischen dem Gebüsch verborgen sammelten sich nun häßliche ölig-seifige Schmutzschlieren im vorher so klaren Wasser.

 

Herrschte am Anfang nur Stille und das Echo von Vogelgezwitscher im Urwald, bekam jetzt der Medizinmann eine Kettensäge die durch den Urwald dröhnte.

 

Nicolson ein kleiner Junge war von meinem Radio begeistert und wollte es unbedingt haben. Ich gab es ihm gegen Bezahlung in Muschelgeld, was ziemlich schnell dazu führte, daß die wertvollen Tigermuscheln nun kaum mehr im Riff zu finden waren.

 

Nicolson war auch auf meine Fallschirmstiefel scharf und mimte unter schmerzerfülltem Gesicht wie weh es tat  barfuß über das Riff zu gehen. Wenn er mich nicht sah lief er dagegen leichtfüßig über die wildesten Zacken.

 

Bei unserer Ankunft gingen die Frauen in den ersten Tagen noch barbusig  herum. Da das zivilisierte Menschen nicht machten und wir geschockt sein könnten - wie es der Methodistenpriester erklärte - wurden alle möglichen nie gebrauchten, rostig, rissig und löchrig  gewordenen BHs hervorgeholt, was die Damen - zumindest für mich - nur noch schärfer aussehen lies.

 

Beeindruckend die jungen Frauen die am Strand zur Gartenarbeit spazierten und dabei ihre langen Macheten schwangen, und da und dort im Vorübergehen eine Pflanze köpften um sich an der Schärfe ihrer Messer zu erfreuen.

 

Beeindruckend auch die Männer die abends in erstaunlich modischen Hosen auf dem Dorfplatz herumspazierten und ihre Babys im Brusttragetuch schaukelten.

 

In kurzer Zeit stellte das Dorf für uns ein traditionelles Schlafhaus, ein langes Bambushaus auf Stützen her. Alles war aus Bambus mit der Machete gebaut und die Verbindungen waren nur mit Bambusfasern hergestellt. Trotzdem war das Haus sehr stabil. Im Film sieht man davon nichts.

 

Naiv, aber nicht so abwegig wie der Methodisten-Priester mich darüber aufklärte, warum die Insel so arm sei, eben darum weil es keine Erzvorkommen gibt, mit denen man seine Münzen dann selber prägen könnte.

 

Zum ersten Mal sah ich bei dem Priester – mit dem ich mich, von der Gruppe mißbilligt, ganz gut verstand – eine Bibel in Form von „Comic-Zeichnungen“ mit Sprechblasen in der offiziellen Sprache der Neuen-Hybriden, dem Bislamar. einer interessanten Mischung aus Englisch mit dem einheimischen Ursprungsdialekt. Wieder fiel mir auf wie einfach Grammatik doch sein könnte, und wie gut sich dazu Englisch eignete.

 

Interessant wie das berauschende „Kava“ genannte Wurzelgetränk hergestellt wurde: Nämlich nur von den Frauen, die die Wurzel weich kauten und in einen Trog spukten um es dort gären zu lassen. Dieses Gebräu wurde dann durch Stoffbeutel  gepreßt und anschließend nur von den Männern getrunken. Mutig habe ich es auch probiert. Es hatte eine erdend-beruhigende Wirkung, so daß man z.B. bei gemeinschaftlichen Besprechungen Stunden im Sitzen verbringen konnte.

 

Erstaunlich wie gut und sexy die zwei Inselschönen posierten, als ich sie fotografierte. Es  gab nämlich viele Vorbilder dafür auf europäischen Hochglanzmodezeitschriften, die in den Hütten versteckt lagen.

 

Die neuen Hebriden waren bis zu unserer Ankunft ein Kondominium, wurden also von Franzosen und Engländern gemeinsam "regiert". Und je nachdem in welcher Nation der Lehrer ausgebildet wurde, hatten die Kinder andere Verhaltensweisen. Die  "französischen" Mädchen waren hübscher gekleidet und hochnäsiger, während die "Engländerinnen" weniger Wert auf Äußerlichkeiten legten, zugänglicher und natürlicher waren. Das muß wohl auf die Vorbilder in den Schulbüchern zurückgegangen sein. Wie schnell man eine Kultur doch manipulieren kann.

 

Als  Fleischlieferant hielt man sich kleine schwarze Schweine wie überall in der Südsee. Eines Tages brachte ein Schiff zusätzlich frisch geschlachtetes Rindfleisch, das die Eingeborenen dann überall am Platz in die Äste hingen. Das Fleischrot und Blattgrün bildeten einen schreienden Farbkontrast, und die seltsam gierigen Blicke der Eingeboren erinnerten mich daran, daß die Eingeborenen ja früher Kannibalen waren. Kapitän Cook wollte aus diesem Grund gerade diese Inseln gar nicht besuchen und segelte vorbei.

 

Eine mehrtägige Wanderung an der Küste entlang die ich mit zwei Dorfjungen unternahm mit lauter kleinen abenteuerlichen Entdeckungen und Selbstversorgung aus der umgebenden Natur, hat mich sehr froh gestimmt. Für Rudolf war es zu umständlich das zu verfilmen, wie ja alle Ideen von mir nach dem großen Krach ignoriert wurden.

 

Was eine Kokosnußkultur ist, wo nicht nur die Nahrung sondern fast alle Gebrauchsartikel von der Palme stammen wäre sicher darstellenswert gewesen. Als Eiweißspender dienen die Fische, ob der frühere Kannibalismus auch dazu diente – wie es manche Forscher meinten – erschien mir fraglich.

 

Man erklärte mir, daß der Wert der Frauen weniger nach ihrer Schönheit beurteilt wird, sondern nach ihren  Flechtkenntnissen. Aus Palmblättern wurden Dächer, Körbe, Matten, Fußböden und Wände geflochten. Je mehr Techniken eine Frau beherrschte um so begehrter war sie. Schönheit wurde dagegen erst durch die Europäer als Wert eingeführt

 

Das Fußballspiel mit ganz anderen Regeln als bei uns wäre auch ein Thema gewesen.

 

Wir Deutschen wurden bei den Einwohnern besonders geachtet wegen unseres großen gefürchteten Chefs „Hitler“, den sie aus Propagandafilmen kannten, welche die Amerikaner auf vielen Pazifikinseln abspielten. Es waren meist die ersten Filme welche die Eingeborenen zu sehen bekamen. Und sie erzeugten das Gegenteil was die Amerikaner damit beabsichtigten: Achtung vor diesem großen Volk und seinem Führer (Hitler hätte sich gefreut).

 

Die wilde Art wie die Gärten angelegt wurden wäre zeigenswert gewesen.

 

Ebenso wie die Eingeborenen bei zuviel Moskitos einfach in der ruhigen Bucht draußen in ihren Einbäumen schliefen.

 

Oder wie sie zielsicher Fische mit Pfeil und Bogen fingen.

 

Obwohl es verboten war, wurde immer wieder mit Dynamit gefischt. Dadurch schwammen dann zwar jede Menge Fische bäuchlings auf der Wasseroberfläche, gleichzeitig wurde aber immer wieder ein Grossteil der Brut in der Bucht vernichtet. Obwohl die Einwohner das wußten, machten sie es weiter und jammerten gleichzeitig darüber, daß es immer weniger Fische in der Bucht gab. Hier hatte man im Kleinen einen Lehrgang über menschliche Unvernunft, was wir derzeit im Grossen weltweit mit der Erderwärmung und Umweltverschmutzung erleben.

 

Da gab es ein geheimnisvolles Schiffswrack im Mangrovenwald an der Küste gestrandet - gerade das was man sich unter Südsee vorstellt. Mein Besuch dort wurde sogar vom ersten Kameramann gefilmt, was wohl zu attraktiv war und daher im Film nicht mehr vorkommt.

 

Unser australischer Toningenieur zog es vor nicht im gemeinsamen Langhaus zu schlafen, er hatte sein eigenes Zelt im Urwald. Weniger kontrolliert von der Leitung wanderte er auf der Insel herum und baute an entlegenen Strandabschnitten aus kleinen Steinen kleine buddhistische Pyramiden (Stupas). Da man zuerst nicht wußte, wer das baut, entwickelten sich innerhalb kürzester Zeit in unserer Gruppe wie bei den Einwohnern die wildesten Geistermythen und Invasionsvorstellungen von fremden Inselbewohnern. Auch hier konnte man vor ort erleben wie Sagen, Mythos und Religion entstehen. 

 

Übrigens wären auch meine astrologischen Forschungen für das ethnologische Thema passend gewesen. Der Film nannte sich ja ETHNOLOGISCHER Spielfilm, wobei gerade das Ethnologische zu kurz kam. Ja gemessen an dem was der damals gerade so populäre Ethnologe LEVI-STRAUSS feststellte, war das Ergebnis unseres Films zielsicher am Thema vorbeigefilmt.

 

und, und, und lauter kleine Eindrücke die als uninteressant oder aus kreativer Eifersucht abgelehnt wurden - aber sicher einen interessanteren Film zustandegebracht hätten, als der jetzt entstandene.

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Mein privater Besuch auf den Fidschi-Inseln

Später vor der Rückreise nach Europa - bei meinem privaten Besuch auf den Fidschi Inseln konnte ich mir meine Zeit selbst einteilen und so ganz anders und spontan meine Kontakte entwickeln. Da lernte ich z.B. eine Eingeborene kennen, die mir dort das Ritualbesteck zeigte mit dem der letzte Missionar vom damaligen Häuptling verspeist wurde - und der Häuptling war ihr Urgroßvater. Kannibalismus kam übrigens sogar in letzter Zeit wieder vor, indem ein Weltenbummler mit seinem Segelboot auf eine einsame Insel gelockt-, dort umgebracht und verspeist wurde. Das war nur sehr kurz in den Medien zu finden, da ja gerade die Fidschis stark vom Tourismus leben.

 

Eines meiner stärksten Erlebnisse dort aber war eine Jeepfahrt ins Inselinnere auf einer wilden staubigen und schmierigen Dschungelpiste. In der  Hauptstadt stiegen ein paar hübsche europäisch gekleidete und geschminkte junge Fidschi-Frauen ein. Sie wollten zur Stammesfeier in ihr Heimatdorf. Die Fahrt dauerte Stunden, rüttelte und warf  uns durch- und aneinander und die Auspuffgase benebelten uns. Bei jedem Halt wurde was zu uns hereingeworfen unter anderem zwei kleine Schweinchen. Hitze, Staub und Schweiß ließen die Schminke der jungen Damen immer mehr auf ihren Gesichtern zerrinnen und verschmieren, die Kleider und Frisuren verrutschten, die Stöckelschuhe taten weh, und lagen nun am Boden und  rutschten zwischen irgendwelchem Ladegut im Staub hin und her. Und die jungen Schweinchen quietschten erbärmlich. Da knöpften zwei der jungen Frauen ihre Bluse auf, öffneten den BH und  nahmen die Schweinchen an die Brust, die nun friedlich vor sich hin nuggelten. Und die rotlackierten Fingernägel der Frauen wühlten zärtlich im borstig-schwarzen Fell der Schweinchen. In der  Südsee werden Schweine - obwohl verzehrt - auch sehr verehrt. Der Mensch wird sogar vielfach als "Langes Schwein" bezeichnet. Biologisch besteht auch eine sehr nahe Verwandtschaft von Schwein und Mensch, so daß Organverpflanzungen möglich sind. Nach der Ethnologin Hertha von Dechend hat das Schwein in den Südseekulturen auch eine zentrale kosmische Bedeutung ("Die  kultische und mythische Bedeutung des Schweins in Indonesien und Ozeanien -1939").

 

Je mehr wir uns nun dem Heimatdorf näherten um so mehr viel die westliche "Verkleidung" von den Frauen ab, und sie sahen immer exotischer, ihre Gesichter immer wilder aus. Jetzt fielen mir auch ihre Tätowierungen mehr auf, die mit der verwischten bunten Schminke wie eine Kriegsbemalung wirkten. Nun klammerten sich die Fahrgäste immer mehr aneinander um Halt im Fahrgerumpel zu bekommen. Dazu faßten mich die neben mir sitzenden Frauen ganz ungeniert an und ich spürte ihre warmen weichen Körper. Es war eine Reise nicht nur zurück ins Heimatdorf der Insassen,  es wurde für mich ein Zeitreise zurück in eine andere Welt. Morgen sollte ich dem Häuptling vorgestellt werden und an der Kava-Zeremonie teilnehmen dürfen ...  

 

Hätte man uns auf Ureparapara mehr privaten Spielraum gegeben statt uns in ständiger Bereitschaft eifersüchtig zu überwachen, hätten wir auch was erzählenswerteres erlebt - wie es mir später auf den  Fidschi-Inseln passierte. Aber man hätte auch die vorher erwähnten kleinen Beobachtungen und Erlebnisse filmisch umsetzen können. Statt dessen wollten die Regisseure aus uns kleine Humboldts basteln, die an der Unbeschreibbarkeit der Lebensfülle, schon auf einer so kleinen Insel, scheiterten. Das behaupteten sie zumindest in einer Filmkritik  Eine einfache Methode die Schuld an diesen mäßigen  Film an uns Darsteller abzuschieben bzw. um nicht den ganzen Film als gescheitert erklären zu müssen. Wobei man bei Rudolf Thome immer das Gefühl hat, daß er nur Filmkritiker wurde um den Wert seiner Filme besser kontrollieren zu können. 

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Zusammenfassung

 

Nach meiner Meinung stellt der Film, gemessen an der Fülle der vorhandenen Möglichkeiten ein geradezu erbärmliches Ergebnis dar. Er lebt gerade noch von der exotischen Umgebung. Wenn man sich nicht speziell für diese Insel interessiert, heute gibt es auf You-Tube von Laien jede Menge Urlaubsfilme die auch ethnologisch interessanter sind. Ethnologisch gesehen wäre der Film wohl die goldene Himbeere wert. Was dagegen zwischen uns Darstellern an Konflikten entstand, hätte gut gepaßt für eine Reality Show im Sinn von "Big Brother Rudolf is waching you". Rudolf gilt heute trotz seiner 28 Spielfilme als der wohl unbekannteste der damaligen Jung- bzw. Autorenfilmer – warum wohl? Ist das Publikum oder der Autor daran schuld? Rudolfs wahres Talent liegt meiner Ansicht nach darin immer wieder Geld für seine doch recht mäßigen Filme aufgetrieben zu haben. Er hätte besser Produzent werden sollen statt Regisseur oder Kritiker. Nicht umsonst war er früher Finanzberater bei der Bank.

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Nachruf

Die Südsee galt ja seit ihrer Entdeckung als Paradies. Heute ist es durch den Massentourismus für jeden möglich geworden dieses Paradies zu besuchen, was gleichzeitig auch die zunehmende Verschmutzung und das Verschwinden dieses Paradieses bedeutet. Wenn ich Rudolf für etwas dankbar bin dann für unseren Rückflug in einer kleinen Cessna von Ureparapara nach Vila auf der Hauptinsel der neuen Hebriden. Es war ein unvergeßliches Erlebnis über das azurblaue Meer zu fliegen. Zwischen einem tiefblauen Himmel mit eingestreuten kleinen weißen Wölkchen und dem azurblauen Meer tief unter uns mit den vielen kleinen Inseln, Atollen und weißen Stränden verlor sich jeder Horizont und jedes Schweregefühl in einem einzigen überirdischem Blau. Man empfand sich wie auf einer über der Erde ausgestreckten Hand Gottes  - ein Gefühl wie es möglicherweise ähnlich nur Raumfahrer erleben.

 

Dafür bin ich Rudolf dankbar,

Ob das allerdings einen 6-monatigen Aufenthalt

unter der Führung von zwei Regie-Banausen rechtfertigt, fragt sich....

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